von Claudia Hinz und Norbert Märcz
20 Jahre ist es her, als am 12. August 2002 die damals noch bemannte Wetterstation Zinnwald-Georgenfeld am Kamm des Osterzgebirges mit einem offiziellen 24-Stunden-Meldung von 312 Liter pro Quadratmeter nicht nur Entsetzen bei den Meteorologen und Verantwortlichen auslösten, sondern auch einen neuen Deutschlandrekord aufstellte. In der Zeitspanne von 5:00 Uhr MESZ bis zum Folgetag waren es in 24 Stunden sogar 352,7mm!
20 Jahre her, als die Sturzfluten von Müglitz, Weißeritz und anderen Gebirgsflüssen gesamte Ortschaften quasi wegspülten, tausenden Menschen ihr Zuhause nahmen und allein in Sachsen 21 Todesopfer und mehr als 100 Verletzte forderte. 20 Jahre sind vergangen, seit die Elbe im weiteren Verlauf allmählich anschwoll und die Flutwelle einen Ort nach dem anderen überflutete. Auch, wenn die Städte und die Infrastruktur inzwischen wieder aufgebaut wurden, so hat sich das Hochwasser tief im kollektiven Gedächtnis der Betroffenen verankert und das Ahrhochwasser im letzten Jahr hat zahlreiche Erinnerungen aufgefrischt.
Wettersituation
Bereits im Juli häuften sich Wetterkapriolen: Stürme über Südfrankreich und den Pyrenäen, schwerer Dauerregen und Hagel in Italien, mehrere Unwetter in Tschechien und Polen, Überschwemmungen am Schwarzen Meer, Dauerregen auf Mallorca … und auch über Deutschland hielt sich wochenlang ein Höhentrog, der immer wieder von Tiefdruckgebieten gespeist wurde. Deutschland lag oft genau an der Luftmassengrenze, so dass sich zum Teil ergiebige Schauer über dem Land entluden.
Die Böden waren bereits gesättigt, als das Mittelmeertief (Vb) ILSE mit viel Feuchtigkeit im Gepäck die Alpen überquerte und über Ostbayern in Richtung Erzgebirge und Riesengebirge (Tschechien/Polen) zog. Dort erstreckte sich nahezu ortsfest eine Kaltfront, welche das Tief bremste, so dass es sich vor Ort bis zum Ende seines Lebenszyklus komplett ausregnete. Durch orographisch bedingte Hebungsvorgänge wurde der Niederschlag noch verstärkt, so dass es hier zu höchsten Niederschlagsmengen kam. Vor allem nördlich von Zinnwald wurden verbreitet 200 mm gemessen (z.B. Lauenstein: 267,3mm, Altenberg-Schellerhau: 251,1mm, Glashütte: 237,2mm).
Sturzfluten
All diese Wassermassen ergossen sich in die Müglitz und Weißeritz und verwandelten die romantischen Bergbäche in reißende Sturzfluten, die alles mit sich rissen, was sich in den Weg stellte. Es wurden hunderte Häuser zerstört und das Mobiliar zusammen mit tausenden Bäumen, Autos, Brücken und Gleisen mit ins Tal gerissen. Auch Menschen, 11 verloren allein an der Müglitz ihr Leben. Das „Treibgut“ wurde zusammen mit Tonnen von Schlamm in die tiefer gelegenen Ortschaften gespült und Straßen zerstört oder ganze Ortschaften abgeschnitten. Zudem fiel in einigen Gegenden Strom und Telefon aus. Viele Menschen mussten mit Schlauchbooten oder dem Hubschrauber aus den Wassermassen gerettet werden. Unvergesslich bleiben hier sicherlich die Bilder von Weesenstein. Wo früher eine ganze Häusergruppe stand, ließ die Müglitz nur eine Mauer übrig, auf welcher vier Menschen um ihr Überleben kämpften. 12 Stunden mussten sie dort knapp über den reißenden Wassermassen ausharren, bevor sie endlich von Rettungskräften geborgen werden konnten. Auch die Weißeritz bleibt im Gedächtnis, sie brachte nicht nur die Talsperre Malter zum Überlaufen und überflutete im weiteren Verlauf Freital, sie suchte sich auch in Dresden wieder ihr altes Flussbett durch die Weißeritzstraße und überspülte unter anderem den Hauptbahnhof und die historische Altstadt mit der Semperoper, der Gemäldegalerie im Zwinger und dem Landtag. Auch die Universitätsklinik musste evakuiert werden.
Elbehochwasser
All diese Wassermassen sammelten sich zusammen mit der aus dem Riesengebirge kommenden, schon gut gefüllten Elbe, die am 17. August 2002 zwischen 6 und 8 Uhr am Pegel Dresden einen Wasserstand von 9,40 Meter erreichte – der höchste jemals gemessene Wasserstand im Stadtgebiet. Sicher kam dieser auch dadurch zustande, weil die letzten großen Hochwasser der Jahre 1845 und 1890 längst vergessen waren und seitdem Flussläufe begradigt, Flächen versiegelt, Flutwiesen bebaut oder wasserspeichernde Wälder abgeholzt wurden.
Die Welle bewegte sich entlang der Elbe, Staustufen liefen über, die Pegel der Elbe und ihrer Nebenflüsse stiegen sprunghaft an und ganze Landstriche aber auch Städte wie Pirna, Meißen oder Grimma wurden überflutet.
Von Sachsen rollt die Flutwelle über Sachsen-Anhalt und Brandenburg Richtung Norden. Behörden und Anwohner wurden alarmiert und konnten sich zumindest auf das Schlimmste vorbereiten. Überall wurden Sandsäcke aufgetürmt, Türen und Fenster mit Holzplatten zugenagelt und Wertgegenstände in die oberen Etagen gebracht. In den Elbauen wurden Campingplätze geräumt und das Vieh von den Weiden getrieben.
Entlang der Elbe (ohne Nebenflüsse) kam es zu 21 Deichbrüchen und nachfolgender Überschwemmung einer Fläche von mehr als 300 km². Insgesamt gab es 21 Todesopfer und mehr als 100 Verletzte. Über 25000 Wohngebäude, ca. 800 km Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen mit hunderten Brücken wurden alleine in Sachsen durch die Flut beschädigt. Bis zum Hochwasser im Ahrtal galt das Elbehochwasser als die teuerste Naturkatastrophe in der deutschen Geschichte.